Unterschiedliche Bedürfnisse, gemeinsamer Nutzen
In dieser Blog-Serie veröffentlichen wir die Beiträge der Redner:innen von der Kundgebung auf dem Bundesplatz vor der Einreichung der Inklusions-Initiative.
Manuele Bertoli war bis 2023 das einzige Mitglied einer Kantonsregierung mit einer Sehbehinderung und ist seit Januar Präsident der Eidgenössischen Kommission für Migration. Am Tag der Einreichung der Inklusions-Initiative in Bern sprach er auf der Bühne über Inklusion zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Rede von Manuele Bertoli:
Moderne Gesellschaften sind komplex. Mehr als in der Vergangenheit bringen sie unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse zum Ausdruck. Und die Politik muss durch das Prinzip der Inklusion in der Lage sein, die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse zu erfassen und darauf zu reagieren. Manchmal ist das eine Herausforderung, denn manchmal scheinen diese Interessen auch miteinander zu kollidieren, sich zu widersprechen. Auch die Interessen von Menschen mit Behinderungen sind unterschiedlich, und auch hier muss die Politik in der Lage sein, all diese Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Die Initiative, die wir heute einreichen, fordert die Politik auf, durch das Prinzip der Inklusion mutig zu sein, auf die gesamte Bevölkerung (nicht nur auf einen Teil) einzugehen und etwas zu tun, gegen Diskriminierung aktiv zu werden, damit alle mehr Gerechtigkeit und mehr Chancen haben.
Ich hatte in meiner politischen Laufbahn das grosse Privileg, 12 Jahre lang in einer kantonalen Regierung zu sitzen und mich im Bildungsbereich zu engagieren, also auch in der Sonderpädagogik oder der Ausbildung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Es war ein sehr wichtiges Engagement. Es war ein sehr bereicherndes Engagement für mich, und ich glaube, dass die Dinge, die wir in diesen 12 Jahren getan haben, nützlich waren und in die richtige Richtung gegangen sind.
Haben wir mehr Geld ausgegeben? Ja, wir haben mehr Geld ausgegeben. Aber wir haben es richtig gemacht, mehr Geld auszugeben. Denn damit haben wir jungen Menschen mehr Möglichkeiten gegeben. Wir haben ihnen ermöglicht, sich nicht von der Gesellschaft ausgeschlossen zu fühlen. Und vielleicht haben wir auch den Grundstein dafür gelegt, dass der Sozialstaat in Zukunft etwas weniger für die Begleitung, für die Unterstützung in Form von Leistungen ausgeben wird. Denn wenn die Menschen es schaffen, selbständiger zu werden, hat das auch einen wirtschaftlichen Nutzen.
Wir sind heute nicht nur hier, um eine gerechte Initiative einzureichen, sondern auch eine Initiative, die ein Schutzschild gegen all die Menschen ist, die die komplexe Gesellschaft, in der wir leben, nicht erkennen und sich hinter alten Stereotypen verstecken, die auf grober Diskriminierung beruhen. Ein Ja zu dieser Initiative ist also ein Ja zur Inklusion, ein Ja gegen Diskriminierung und ein Ja gegen Ausgrenzung. Es ist ein neuer Schritt. In den vergangenen Jahren ist bereits einiges getan worden. Es bleibt noch viel zu tun und die Arbeit muss von uns gemeinsam geleistet werden, damit sich die Dinge in den nächsten Jahren verbessern.
Danke an alle, die sich in der Vergangenheit engagiert haben, und an uns alle, an Sie alle für das, was Sie in Zukunft tun werden. Es lebe die Initiative!